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Allgemein Alltag Was jetzt kommt

Gendersternchen, you are the star tonight and tomorrow und sowieso

your light eclipsed the moon tonight

Ich habe immer den größten Respekt vorm Unterrichten, tatsächlich und ganz ehrlich sogar Angst. Ich fürchte zu scheitern, vor aller Augen, was in der Regel nicht geschieht. Zu unterrichten ist mir die beste Lehre und auch eine große Bereicherung, ich bin immer wieder begeistert von den Texten, die ich zu hören und zu lesen bekomme; die Welt ist voller Talent und Potenzial. Nicht nur der Teil der Welt, in dem ich unterrichtend unterwegs bin. Einen der schönsten Momente beim Unterrichten habe ich vor ca. zwei Jahren an der Burg Giebichenstein in Halle erlebt, und er hatte nichts mit meinem Unterricht zu tun. Eine Studentin, die oft nicht da war, aber die nachvollziehbarsten Gründe hatte, oft nicht da zu sein, erzählte etwas oder las etwas vor, ich weiß das nicht mehr. Sie benutzte jedenfalls im Reden den Gendergap. Es war das erste Mal, das ich das so hörte, was vielleicht etwas beschämend ist, aber es war eben so. Gelesen hatte ich Gap und Sternchen tausendfach, aber nie gehört. Und dieses Hören bewegte mich tief. Das Innehalten im Reden, die kleine Pause. Das ist nicht die Lücke, die der Teufel lässt, das ist ein Raum für alle, das ist ein Konzept der wirklich offenen Tür. Prinzip: Hereinspaziert. Hier ist Platz. Hier bist du Mensch, hier darfst du sein.
Ich liebe das. Ich liebe diese Einladung, die sich sprachlich frappierend unkompliziert umsetzen lässt, die Einladung, in der Sprache vorhanden zu sein, sich angesprochen, mitgemeint zu fühlen. Es ist so leicht. Es ist so leicht, das zu sagen, zu schreiben, zu lesen, zu hören. Es ist so leicht. Und immer geht mir das Herz auf, wenn ich Artikel lese, in denen so viel wie möglich Leute bedacht werden.

Also noch einmal: Es ist so leicht, Leute nicht auszuschließen. Es ist so ungeheuer leicht, sehr viele Leute nicht auszuschließen.

Und ich merke, ich werde an manchen Tagen verrückt, wenn es sich ein Mensch, eine Publikation, eine Institution zu leicht macht. Wenn aus der Verweigerung, Sternchen oder Gap, geschweige denn das Binnen-I oder männliche und weibliche Form zu benutzen, eine Haltung spricht, die sagt: Eure Anliegen interessieren mich nicht. Ihr interessiert mich nicht. Du interessierst mich nicht. Wenn der Wunsch nach dem Stattfinden in Sprache, nach dem Gesehenwerdenkönnen in Texten als Spezialproblem, als Marotte, als mimosenhaftes Begehr, als Überflüssigkeit, als was weiß ich noch betrachtet wird.

Das geht nicht. Und noch einmal, weil es einfach das beste Lied ist, und der beste Ausdruck von überwundenem Ignoranten-Jetzt: Hört Was jetzt kommt von Christiane Rösinger. Was jetzt kommt sagt, was jetzt kommen muss.

Alltag Dinge

Now that you’re gone, alte Waschmaschine

 

Das Hängen an den Dingen, das in diesem Fall mich überraschende Hängen an einem großen Ding, die Beziehung zu einer Waschmaschine, die mir unbewusste Beziehung zu meiner alten Waschmaschine, die an einem irgendwie üblen Tag, der mich wie alle damaligen Tage in Halle fast hätte verrückt werden lassen, gekaufte Waschmaschine: die billigste, die kleinste, die durch die schranktürbreite Tür ins Bad passte, die jahrelang alles wusch (Singlewäsche, dann Paarwäsche, dann Familienwäsche) und von einem der zwei Monteure, die sie brauchte, gelobt wurde, was mich auf seltsame Art stolz machte (sie sei erstaunlich gut in Schuss für ihr Alter), wusch plötzlich nicht mehr. Weil ich noch etwas Erspartes hatte, fuhr ich an einem der letzen Freitage fast freudvoll in die Innenstadt und bestellte eine neue Waschmaschine: eine größere, eine familiengerechte, eine modernere etc. Die neue konnte, weil beim Hersteller die Logistiksoftware zusammengebrochen war, etliche Tage nicht geliefert werden, so dass die Wäscheberge im Badezimmer wuchsen und ich die Wäsche in der Badewanne wusch, die wichtigsten Teile zumindest. Ich schaltete die alte Waschmaschine dann doch noch einmal an, sprach ihr zu und ging aus dem Raum, damit sie in der Ruhe des dunklen Badezimmers sich aufraffen, sich entscheiden könnte zu waschen und über die Kränkung durch meine schnelle Bestellung hinwegzusehen, diese wegzuwaschen oder was auch immer. Aber es geschah nichts, sie wusch nicht. Der kleine Sohn umarmte die Waschmaschine, weinte und sagte, sie solle nicht abgeholt werden. Er malte einen Brief, darin sein Name, zwei Tränen, eine tränengroße Waschmaschine oder zwei waschmaschinengroße Tränen. Ich schrieb dazu und weinte dann auch, weil er weinte: Liebe Waschmaschine, vielen Dank, dass Du immer so gut für uns gewaschen hast.
Später stand die neue Waschmaschine im Bad, ich jubilierte und begann den Wäscheberg wegzuwaschen. Der kleine Sohn sagte, die ist viel zu modern. Ich jubilierte immer noch, aber ich dachte auch: ich habe vergessen zu versuchen, die alte Waschmaschine auseinanderzuschrauben und nachzusehen, ob nicht doch nur irgendein Teil irgendwo feststeckte, irgendwas, was leicht hätte behoben werden können. Ich habe mich ganz pragmatisch und kauflustig gegen sie entschieden und bin bei aller Freude über die neue Waschmaschine traurig und empört über meinen Pragmatismus und denke an Walter Benjamins Sätze: „Was wäre, wenn die Dinge sprechen könnten? Was würden sie uns sagen? Oder sprechen sie schon und wir hören sie bloß nicht? Und wer wird sie übersetzen?“  Und ich denke an Thomas Lindenberg, der in einem Vortrag zum Readymade als Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit sagte, er habe sein Handy vor vier Jahren gekauft und seitdem nicht aufgehört, darüber nachzudenken.
Jedes Ding ist die Welt.